Interview mit Verena Weigand zum Thema Medienerziehung in der Familie
Digitale Medien sind aus dem Familienalltag nicht mehr wegzudenken
Auch Eltern nutzen Smartphones und Tablets täglich und übernehmen damit eine wichtige Vorbildfunktion. Sie prägen durch ihren Umgang maßgeblich das Nutzungsverhalten der Kinder und haben gleichzeitig die Verantwortung für die Medienerziehung. Dabei helfen klare Regeln, die in der Familie vereinbart werden. Doch zwischen Theorie und Anspruch sowie der Umsetzung im Alltag klafft oft ein großer Unterschied. Streit und Diskussionen zwischen Eltern und Kindern über die Auswahl von Angeboten, Formaten und die Nutzungsdauer bleiben meist nicht aus. Welche praktischen Tipps und Anregungen haben Sie für die alltägliche Medienerziehung?
Als Grundregel gilt, dass es Regeln geben muss in der Familie, an die sich auch alle halten. Da sind zum Beispiel medienfreie Zeiten hilfreich. Das könnte beim Essen sein, vor dem Schlafengehen oder während der Hausaufgaben. Beim Essen sollte das auch für die Eltern gelten und vor der Schule sollte der Bildschirm ausbleiben. Es ist natürlich auch ganz wichtig, mit den Kindern Regeln für die Medienzeiten selber, also für die Nutzung, zu vereinbaren. Die müssen dann immer zur Familie und zum Familienalltag passen. Also wichtig, nicht zu lange und möglichst nicht jeden Tag. Für Grundschulkinder empfiehlt es sich, ein Wochenkontingent anzulegen und auszugeben.
Wie immer bei Regeln, gibt es auch Ausnahmen. Wenn zum Beispiel das Wetter mal nicht mitspielt oder das Kind krank im Bett liegt, dann kann man die medienfreie Zeit auch mal ausfallen lassen und die Medienzeit etwas verlängern. An einem anderen Tag kann dann zum Beispiel der Bildschirm ausbleiben oder es wird draußen gespielt.
Ganz wichtig ist auch, dass Eltern eine Vorbildfunktion haben. Das heißt, Kinder orientieren sich immer auch am Verhalten der Eltern. Deshalb ist es wichtig, auf die eigene Mediennutzung zu achten. Wesentlicher Gesichtspunkt ist auch die richtige Auswahl. Grundschulkinder haben zwar immer schon eigene Vorlieben, sie sind aber noch relativ offen für Vorschläge von Eltern und gemeinsam auswählen ist natürlich am allerbesten, macht auch Spaß und Eltern können so noch ein bisschen steuern. Bei der Auswahl sollte man darauf achten, dass die einzelnen Inhalte nicht so lang sind, also nur ab und zu ein voller Spielfilm, dass Entspannungsmomente und Humor in dem Alter wichtig sind. Schön ist es natürlich, wenn man Kinder für Magazine und Nachrichten begeistern kann, die den Horizont erweitern.
Auf flimmo.de kann man übrigens die Inhalte nach Alter filtern und es gibt auch Empfehlungen für besonders gute Inhalte. Nicht alle Inhalte müssen aber immer pädagogisch wertvoll sein. Kinder haben auch ein Anrecht darauf, sich mal nur unterhalten zu lassen.
Die Medienerziehung in der Familie ist für viele Eltern schon deshalb eine immerwährend große Herausforderung, weil die Fülle an ständig neuen Angeboten im TV, auf Youtube oder bei Streaminganbietern für viele Eltern kaum zu überblicken ist. Wie schaffen es Eltern, „auf dem Laufenden“ zu bleiben und wo bekommen Eltern Unterstützung und Hilfestellungen?
Grundschulkinder wollen nach und nach selbst aussuchen, was sie anziehen oder spielen. Der Einfluss von Freunden wird dabei immer wichtiger. Was gerade auf dem Pausenhof angesagt ist, ist natürlich spannend und Kinder werden immer wieder mit Inhalten kommen, die die Eltern noch nicht kennen. Da ist natürlich der Flimmo dann die perfekte Anlaufstelle. Der kann Bescheid geben, was gerade Medientrends sind, die Kinder beschäftigen und wo Eltern etwas genauer wissen sollten, um was es geht. Der Flimmo hat die Themen auf dem Schulhof im Blick und informiert dazu. Das kann Squid Game sein, Huggy Wuggy oder auch der Ukraine Krieg. Ob Neustarts im Kino oder bei Streaming Anbietern, Highlights in Mediatheken oder was gerade aktuell im TV läuft. Auf www.flimmo.de können sich Eltern umfassend informieren. Sie finden Empfehlungen für sehenswerte Kinderfilme, für Kinderserien und dazu Einschätzungen, wenn sie etwas noch nicht kennen.
Was können Eltern tun, wenn sie beobachten, dass ihr Kind ganz offensichtlich mit den konsumierten Inhalten überfordert ist?
Eltern sollten erstmal herausfinden, was war denn die Überforderung für ihr Kind? War das eine gruselige Figur? Vielleicht eine unheimliche Handlung? Oder die aktuelle Nachrichtenlage? Und wie zeigt sich diese Überforderung? Wacht das Kind jede Nacht auf oder zeichnet es eine Szene immer wieder? Stellt es viele Fragen? Vielleicht traut sich es auch nicht mehr in den Keller?
So können Eltern reagieren: Wichtig ist es, in die Situation reinzugehen. Wenn Eltern merken, dass Kinder während dem Medienkonsum Angst bekommen, am besten in die Situation reingehen und das Kind nicht allein lassen. Die Ängste der Kinder sollten ernst genommen werden und Eltern sind auch genau die richtigen Personen, um ein Kind zu trösten. Aussagen wie „Das ist doch nicht so schlimm“ oder „Das verstehst du noch nicht“, das hilft Kindern nicht weiter. Besser ist es, die Ängste ernst zu nehmen, zu trösten und zu versuchen Unsicherheiten aufzufangen. Kindern im Grundschulalter können auch Erklärungen weiterhelfen. Ein Film ist zum Beispiel mit gewissen Mitteln besonders gruselig gemacht.
Gerade auch Themen wie Krieg oder Gruselphänomene im Internet verlangen nach Erklärungen und Einordnung von Seiten der Eltern. Kleinen Kindern kann es helfen, Eindrücke im Spiel zu verarbeiten oder ein Bild dazu zu malen. Das sollten Eltern dann anregen. Für Ältere sind eher Gespräche und konkrete Informationen wichtig. Grundsätzlich ist es immer gut, aufmerksam zu beobachten, wie Kinder Medien konsumieren und dabei nicht nur auf die Inhalte zu schauen, sondern auch auf das Kind selbst. So bekommt man mit, wenn etwas Probleme bereitet und kann entsprechend reagieren.
Zur Person
Verena Weigand ist Vorstandsvorsitzende des Vereins Programmberatung für Eltern e.V. Dieser Trägerverein gibt Flimmo, den Elternratgeber für TV, Streaming & YouTube, heraus. Sie hat außerdem lange Jahre den Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz bei der BLM (Bayerischen Landeszentrale für neue Medien) geleitet.