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Interview mit Tanja Honka zum Thema Mobbing

Wir haben mit Tanja Honka von der Landesstelle Schulpsychologie und Schulpsychologisches Krisenmanagement über das Thema Mobbing gesprochen.


Woran können Eltern merken, dass bei ihrem Kind „etwas nicht stimmt“? 

Am ehesten deuten Veränderungen im Verhalten oder der Stimmung auf eine mögliche Belastung des Kindes (durch Mobbing) hin. So können sich zum Beispiel stille, zurückhaltende Kinder ungewöhnlich wütend oder aggressiv zeigen; selbstsichere Kinder werden ggf. still oder ziehen sich ungewöhnlich oft zurück. Hier ist es dann an der Zeit, als Eltern in einem ruhigen Moment ein Gespräch mit dem Kind zu suchen und nach den Ursachen für die Veränderungen zu forschen. Mobbing kann dabei eine Erklärung sein.

Gibt es typische Merkmale im Verhalten, wenn Kinder gemobbt werden?

Die möglichen Reaktionen auf Mobbing sind so vielfältig wie die Kinder selbst. Die folgenden Hinweise können aber auf eine Mobbingsituation in der Schule hindeuten:

  • Das Kind vermeidet den Schulweg, sucht nach Gründen, nicht mit dem Bus fahren zu müssen, möchte gebracht oder abgeholt werden.
  • Das Kind ist häufig krank, klagt über Symptome, die möglicherweise auch stressbedingt sein können, und möchte zunehmend weniger zur Schule gehen. 
  • Die Leistungen des Kindes fallen stark ab.
  • Das Kind nimmt zunehmend weniger Spielverabredungen wahr, wird nicht mehr zu Geburtstagen eingeladen, will den eigenen möglicherweise nicht feiern. 
  • Das Kind „verliert“ häufig Geld oder Gegenstände oder bringt sie beschädigt aus der Schule mit nach Hause.

Wie können Eltern herausfinden, ob Mobbing hinter diesen Anzeichen steckt?

Wenn Eltern den Verdacht haben, dass ihr Kind von Mobbing betroffen ist, sollten sie behutsam das Gespräch mit dem Kind suchen. Nicht wenige Kinder möchten die Situation jedoch vor ihren Eltern geheim halten. Zum einen, weil sie ihre Eltern nicht belasten möchten, zum anderen, weil sie befürchten, dass Eltern dann Maßnahmen ergreifen, die die Situation noch schlimmer machen. Eltern sollten daher unbedingt zwei Botschaften in dem Gespräch vermitteln. Erstens: Niemand sollte so belastende Dinge allein aushalten müssen. Lass mich für dich da sein. Zweitens: Ich halte das aus, was du mir erzählst. Ich verspreche, ruhig zu bleiben. 

Was raten Sie Eltern, die feststellen, dass ihr Kind gemobbt wird? 

Wenn Eltern von dem Mobbing ihres Kindes erfahren, löst das in der Regel erst einmal ein ganzes Feuerwerk von belastenden Gefühlen aus. Traurigkeit, es nicht früher bemerkt zu haben, Wut auf die Mitschülerinnen und Mitschüler oder das pädagogische Personal, Hilflosigkeit, weil man weit weg ist von der Situation und sein Kind nur bedingt beschützen kann. Trotz alledem ist es wichtig, besonnen zu bleiben. Auf keinen Fall sollten Eltern den Konflikt in Elterngruppen tragen oder gar Mitschülerinnen oder Mitschüler selbst zur Rede stellen. Eltern sollten stattdessen sehr zeitnah ein Gespräch mit der Klassenlehrkraft suchen, von der Lage des Kindes berichten und mit dieser gemeinsam abstimmen, wie das weitere Vorgehen sein soll. Auch vermeintlich gute Ratschläge dem Kind gegenüber wie: „Wehre dich ruhig“, sollten unbedingt vermieden werden. Sie vermitteln dem Kind nur ein weiteres Mal, dass es nicht stark genug war, und vermitteln zudem fälschlicherweise, dass „sich wehren“ reichen würde, um sich aus einer Mobbingsituation zu befreien.  

Wie können Eltern ihr Kind unterstützen? Was braucht es jetzt vor allem?

Kinder brauchen in dieser Situation einen Erholungsraum, in dem sie gehört und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden. Hilfreich sind in dieser Zeit z.B. aufmunternde und ablenkende Ausflüge oder gemeinsame Familienaktivtäten zu Hause. In diesen sollte das Kind seine Stärken ausleben und Spaß haben können. Um den angestauten Stress abzubauen, sind dabei Bewegungsaktivitäten – am besten an der frischen Luft – ideal. Auch soziale Kontakte außerhalb der Schule, die in der Regel noch mobbingfrei sind, tun jetzt gut. Und falls Mobbing auch digital über soziale Medien oder WhatsApp etc. stattfindet, sind bewusste Auszeiten vom Handy wichtig, um „mobbingfreie“ Zeiten zu schaffen.

Welche Schritte sind aus Ihrer Sicht jetzt erforderlich?

Nach der Meldung der Vorfälle an die Klassenlehrkraft erfolgt die Planung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen in der Schule. Nur hier kann die Dynamik der Klasse nachhaltig verändert werden. Kern der Intervention ist, dass die Klassengemeinschaft begreift, dass es nicht nur einen Verantwortlichen für das Mobbing gibt, sondern dass dieses nur stattfinden konnte, weil viele andere Kinder sich nicht gegen diese Angriffe positioniert und stattdessen weggeschaut oder gar mitgemacht haben. Möglicherweise braucht es auch einen Wiedergutmachungsprozess, bevor das Kind wieder gut in der Klasse ankommen kann. Wichtig ist, dass alle Beteiligten diesem Prozess eine Chance geben. Nicht selten überträgt sich der Konflikt der Kinder auf die Elternschaft, die dann oft noch streiten, während die Kinder längst wieder gut miteinander auskommen. 

Sollten Kinder, die massivem Mobbing ausgesetzt waren, wieder in die gleiche Klasse zurückgehen?

Die Klasse nach einem Mobbingvorfall zu verlassen, ist für beide Seiten keine gute Lösung. Die Kinder, die gehen, empfinden zwar Erleichterung, aber das Verlassen der Klasse auch als Niederlage oder gar weitere Demütigung. Die Klasse selbst hat nichts gelernt, die Gefahr, dass sie mit diesem Muster weitermachen, ist groß. 
Die beste Lösung besteht also darin, dass die gesamte Klassengemeinschaft die entstandene Gruppendynamik versteht, alternative Verhaltensweisen für die Zukunft einübt und das betroffene Kind wieder gut in eine sozial gestärkte Klassengemeinschaft zurückkehrt. 

Wo können Eltern Unterstützung für sich und ihr Kind erhalten?

Eltern können sich bei diesem Prozess in den regionalen schulpsychologischen Beratungsstellen begleiten lassen. Diese finden sich in jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt. Hier erhalten sie Informationen rund um das Thema Mobbing im Allgemeinen und wertvolle Tipps zum Umgang mit den belastenden Situationen. Die schulpsychologische Beratungsstelle kann auch für die Lehrkraft eine Anlaufstelle sein, um die notwendige Intervention und Prävention zu planen. 

Wo finde ich Hilfe und Unterstützung?

  • Eine Beratungsstelle in Ihrer Nähe finden Sie über den Beratungsstellenfinder der DAJEB.
  • Hilfe bei Cybermobbing, WhatsApp-Stress & Co. bietet die Online-Beratung des Portals JUUUPORT für junge Menschen.

 

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