Tipps für alleinerziehende Väter

Väter-Coach Ansgar Röhrbein gibt Tipps für die Zeit nach der Trennung 

Text last updated: 2024-06-19
 
Alleinerziehende Väter tragen eine große Verantwortung. Väter-Coach Ansgar Röhrbein gibt wertvolle Tipps für Väter, die alleine für ihre Kinder sorgen. 

Väter-Coach Ansgar Röhrbein ist Mitglied im Väter-Experten-Netz Deutschland, VEND e. V., und Autor des Buches „Mit Lust und Liebe Vater sein – Gestalte die Rolle deines Lebens“, das Väter zur eigenen Reflexion einlädt.

Der Diplom-Pädagoge und Therapeut ist selbst Vater von drei erwachsenen Kindern, er lebt und arbeitet in Herscheid. Im Interview gibt er Rat, wie alleinerziehende Väter mit ihrer neuen Rolle gut umgehen können.

Image

 

„Die” alleinerziehenden Väter gibt es nicht, ihre Lebensumstände unterscheiden sich stark. Was charakterisiert die verschiedenen Lebenssituationen alleinerziehender Väter Ihrer Erfahrung nach?

Sie sagen es! „Die” alleinerziehenden Väter gibt es nicht! Mütter übrigens auch nicht. Es macht sicherlich in der ersten Zeit einen großen Unterschied, ob ich mich von jetzt auf gleich quasi aus der Not geboren in dieser Situation befinde, oder ich mich nach einem längeren Prozess des Verarbeitens, Nachdenkens und Aushandelns dazu geplant entschieden habe.  

Darüber hinaus kann die eigene Verfassung auch einen erheblichen Einfluss auf die väterliche Rollenübernahme und Gestaltung haben: 

  • Wie stark leide ich selbst noch unter dem Tod oder Verlust meiner Partnerin bzw. meines Partners?  
  • Wenn die ehemalige Partnerin oder der Partner noch lebt: Gibt es eine gemeinsame Kommunikation und Kooperation bezüglich der Kinder? Was gelingt uns dabei, was läuft möglicherweise schwierig? 
  • Fühle ich mich eher als Verlierer oder als Gestalter der Situation? 
  • Bin ich vielleicht froh, dass ich endlich einen Platz im Leben des Kindes einnehmen kann, den ich mir immer gewünscht habe? 
  • Inwieweit fühle ich mich in meiner Person und Aufgabe von meiner Umgebung gesehen? 
  • Wen habe ich an meiner Seite, der Teile der Verantwortung mitträgt? 

Nach Trennungs-Situationen, in denen der Vater verlassen wurde, oder nach plötzlichem Verlust durch Krankheit oder Tod muss der Vater als Mann und Partner zum einen zunächst mit dem Verlust zurechtkommen und gleichzeitig dem Kind in seiner Situation Halt geben.  

Bei klug abgestimmten und gemeinsam ausgehandelten Situationen ist der Vater möglicherweise eher im vollen Besitz seiner Kräfte und kann sich der Aufgabe vermutlich leichter stellen. 

Vollzeitarbeitende Väter haben nicht selten mit der Frage zu kämpfen, wie eine gute Betreuung und Versorgung ihrer Kinder in ihrer berufsbedingten Abwesenheit organisiert und gewährleistet werden kann und auf wen sie dabei in ihrem Netzwerk zählen können.  

Väter, die staatliche Leistungen beziehen, machen sich vermutlich eher Gedanken um die gesicherte Versorgung der Familie und die Finanzierung notwendiger zusätzlicher Anschaffungen oder Aktivitäten z. B. von Klassenfahrten etc. 

Wenn ein Mann plötzlich allein die Verantwortung für seine Kinder trägt: Was raten Sie ihm für die erste Zeit? Was hilft Vätern, diese zu meistern? 

Mit Ratschlägen tue ich mich etwas schwer, da jede Situation einmalig ist und ihre eigenen Gesetze hat. Daher braucht jede Situation ihre ganz individuelle maßgeschneiderte Lösung! Aus meiner Erfahrung ist es allerdings für den Vater und insbesondere für die Kinder in der ersten Zeit hilfreich zu schauen, was an bisheriger Routine beibehalten werden kann und was einer Veränderung bedarf.

In der Regel hilft es den Kindern, wenn bestimmte Strukturen und Rituale im Alltag bestehen bleiben, damit sie sich daran ,festhalten' können. Dann braucht die Familie einen Plan nach dem Motto „Wer, was und wann”:  

  • Was kann der Vater allein leisten? 
  • Was kann welches Kind übernehmen, was kann die ehemalige Partnerin (Mutter) oder der ehemalige Partner noch tun und wer wird die Familie darüber hinaus unterstützen können?  
  • Braucht es ein ergänzendes Tagespflegeangebot, andere Zeiten in der KiTa, Unterstützung durch den Arbeitgeber, die Familie usw.?  

In diesem Klärungs- und Sortierungsprozess kann eine neutrale Vertrauensperson aus dem familiären Umfeld – eine (Paten-)Tante, ein Freund, etc. – oder eine Fachkraft einer Beratungsstelle oder des Jugendamtes oftmals unterstützend wirken.  

Natürlich braucht der Vater in dieser turbulenten Zeit auch Raum für sich selbst: zum Überlegen, Planen, Verschnaufen, Erholen, Trauern, usw. Nicht selten nimmt der Alltag den Vater aber so sehr in Beschlag, dass es wichtig ist, dass gute Freunde einfach mal vorbeikommen und den Vater „einpacken“ oder alles für einen gemütlichen Abend mitbringen. 

Welche Tipps haben Sie für alleinerziehende Väter, wie diese Familie und Beruf unter einen Hut bekommen können? 

Je nach Arbeitssituation war es für die meisten alleinerziehenden Väter, die ich kennenlernen durfte, wichtig, dass sie auf ein stabiles Betreuungssystem bauen konnten, das auch mal in hektischen Berufszeiten flexibel reagieren kann. Sei es, dass es eine verlässliche Tagesmutter gibt, bei der die Kinder auch schon mal übernachten können; oder ,neutrale' Großeltern und Verwandte (mütterlicher- oder väterlicherseits), die den Rücken freihalten – oder eben eine verbindliche Regelung zwischen den Eltern selbst.  

Je isolierter ein Vater sich mit den Kindern erlebt, desto größer sind häufig der gefühlte Druck und die Last der Verantwortung. 

Wichtig ist auch, frühzeitig mit dem eigenen Arbeitgeber über Maßnahmen für die Fälle zu sprechen, in denen ein Kind von der KiTa oder Schule unvorhergesehen abgeholt werden muss oder morgens ein Kind erkrankt ist. Es ist entlastend, wenn es verbindliche Absprachen gibt, auf die ich als Vater mit ruhigem Gewissen zurückgreifen kann.  

Home-Office, Arbeitszeitkonten mit flexibler Arbeitszeit etc. sind z. B. entlastende Varianten, die mehr Flexibilität im Sinne einer guten Balancierung der eigenen Wünsche, der Bedürfnisse der Kinder und der Erwartungen des Arbeitgebers mit sich bringen können.  

Darüber hinaus ist es nach meiner Erfahrung hilfreich, wenn sich der Vater mal zwischendurch kinderfreie Urlaubstage gönnt, wenn dies möglich ist. Frei nach dem Motto: Geht’s dem Papa gut – geht es den Kindern gut.

Was sind Ihre Erfahrungen: Ist es für Männer in dieser Situation ganz wichtig, Vollzeit zu arbeiten oder welche Modelle sind dabei noch – und vielleicht besser – lebbar? 

Das hängt von zahlreichen Faktoren ab und kann nur individuell überlegt werden. Zudem befinden sich auch alleinerziehende Väter nicht unbedingt in einer Welt, in der sie sich alles wunschgemäß zusammenstellen können.  

Oftmals existieren zahlreiche strukturelle oder versorgungstechnische Zwänge, die sich nicht einfach zur Seite schieben lassen. Zum einen muss der finanzielle Rahmen stimmen, zum anderen brauchen die jeweiligen persönlichen Bedürfnisse eines jeden Kindes und des Vaters selbst eine zumindest ausreichende Berücksichtigung.  

Hilfreich ist eine verständnisvolle Reaktion des Arbeitgebers, insbesondere in der ersten Zeit des Zusammenwachsens, bis sich die Dinge ein wenig eingespielt haben. Um hier erfolgreich verhandeln zu können, empfiehlt es sich im Vorfeld, genau zu überlegen, was ich meinem Arbeitgeber anbieten kann (z. B. Home-Office oder Arbeit am Wochenende, wenn die Kinder durch andere versorgt sind, etc.). 

Welche Erfahrungen machen Sie mit dem Thema alleinerziehende Väter und Haushalt, alleinerziehende Väter und Fürsorgeaufgaben? 

Grundsätzlich erlebe ich die Väter hier sehr engagiert und kompetent. Dass Väter dazu gut in der Lage sind, haben ja zahlreiche Studien belegt. Der eine oder andere lässt sich auch schon mal von seiner Schwester unter die Arme greifen, aber das Gros der Väter, die ich erleben konnte, stellt sich ganz selbstverständlich sowohl den hauswirtschaftlichen als auch den fürsorglichen Aufgaben.  

Zuweilen kann es von „außen" schon einmal anders wahrgenommen werden. So habe ich es nach heftigeren Trennungs- und Scheidungsprozessen erlebt, dass es schon mal vorkommen kann, dass die Mutter sich Sorgen macht und anruft, da sie ihr Kind vom Vater unterversorgt erlebt. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dann aber in der Regel heraus, dass beide Eltern zwar unterschiedliche Vorstellungen haben, sich das Kind aber bei beiden gleich gut fürsorglich behandelt fühlt – nur anders. 

Wie schafft man es als alleinerziehender Vater, alles unter einen Hut zu bekommen, ohne dabei selbst auf der Strecke zu bleiben? 

Natürlich ist ein Leben mit Kindern immer von Überraschungen und Herausforderungen geprägt, die aber durch die kuscheligen, spaßigen und bedeutungsvollen Momente häufig ausgeglichen werden.  

Als alleinerziehender Vater bin ich immer mittendrin und primär allein verantwortlich. Dies kann schon einmal darin münden, dass man sich als Einzelkämpfer erlebt und an den Rand der eigenen Kräfte gerät. Spätestens dann macht es aus meiner Sicht Sinn, auch über professionelle Hilfe nachzudenken, bevor die Situation im Kollaps endet. Eine neutrale Person, die hilft zu sortieren, zu verstehen, zu vermitteln, zu dolmetschen und hilfreiche Prioritäten zu setzen, kann dann Gold wert sein. 

Ist es für einen alleinerziehenden Vater ein Unterschied, ob er Töchter oder Söhne hat? 

Nun ja, zum einen ja – zum anderen nein. Ich denke, es gibt Situationen, da ist es für beide Eltern ein Unterschied, ob sie eine Tochter oder einen Sohn erziehen, und es gibt Situationen, in denen macht es keinen Unterschied. 

Wenn mein Sohn auf mich zukommt, um mit mir als Vater über Probleme mit seiner Vorhaut zu sprechen, habe ich es vermutlich leichter, als wenn meine Tochter mit mir über den geeigneten Tampon diskutieren möchte. Einfach, weil ich beim ersten Thema besser mitreden kann. Hier habe ich den einen oder anderen Vater schon einmal vorrübergehend verunsichert erlebt, bis er für sich eine geeignete Position gefunden hatte oder durch andere weibliche Bezugspersonen hilfreich unterstützt wurde. 

Andere Themen wie Grenzen setzen, Ausgangs- und PC-Zeiten u. ä. machen vermutlich allenfalls einen gefühlten Unterschied aus, faktisch aber eher nicht. 

Wie gehe ich als Vater von einer Tochter damit um, dass ihr nun das weibliche Rollenvorbild fehlt? 

Es ist ja nicht unbedingt gesagt, dass das weibliche Rollenvorbild fehlt. Viele Eltern schaffen es ja recht gut, eine Einigung über eine geteilte Verantwortung zu erzielen. Wenn der Vater nun die Hauptverantwortung trägt, kann die Mutter ja dennoch im Leben der Kinder präsent bleiben. 

Trotzdem wird es vermutlich Situationen geben, die für Tochter und Vater herausfordernd sein können. Insbesondere dann, wenn die Tochter sich zur Frau entwickelt und echte ,Frauenthemen' anstehen. Hier erlebe ich jedoch viele Väter sehr ehrlich.  

Die einen sagen: ‚Da muss ich mich erst mal schlau machen, aber ich weiß nicht, ob das reichen wird‘. Andere sagen z. B.: ‚Das ist echt nicht mein Ding mit Tampons, Regelblutung, Gebärmutterhals-Krebsvorsorge und so, damit will ich mich gar nicht erst näher befassen. Ich habe meine Schwester darum gebeten, ob sie das mit meiner Tochter klären kann‘.

So überlegen viele Väter, welche vertrauten weiblichen Bezugspersonen sie in diesen Fragen unterstützen können und damit auch (neben der Mutter) Rollenvorbild für die Tochter sein können. Ich glaube daher, dass es im gewissen Sinne eine Typfrage ist: Was traue ich mir zu? Wo kann ich noch was lernen und wo will ich das auch? Was ist eher nicht mein Ding und welche Alternative gibt es dann? 

Wie sollten alleinerziehende Väter damit umgehen, wenn sie sich neu verlieben? 

Zunächst einmal sollten sie den Kindern Zeit geben, sich langsam daran zu gewöhnen.  

Häufig erleben sich die Kinder in solchen Situationen in einem Chaos der gemischten Gefühle: Einerseits gönnen sie vermutlich dem Vater eine Freundin (oder einen Freund), andererseits halten sie ihrer Mutter (dem ehemaligen Partner) die Treue und drittens haben sie eventuell Sorge bezüglich der möglichen Veränderungen und erneuten Schwierigkeiten. Und vieles mehr, was sie noch beschäftigen kann... 

Aus der väterlichen Perspektive empfiehlt es sich daher, mit viel Fingerspitzengefühl vorzugehen, damit sich die Kinder nicht von heute auf morgen vor vollendete Tatsachen gestellt sehen. Unter solchen Vorzeichen sind eine behutsame Kontaktaufnahme und ein vorsichtiger Beziehungsaufbau angezeigt.  

Väter, die ihren Kindern gleich eine neue Mama präsentieren, überfordern vermutlich ihre Kinder emotional, auch wenn sie selbst damit nur ihrem Wunsch nach Unterstützung Ausdruck verleihen wollen.  

Ein gestaffeltes Vorgehen, das mit ersten kleinen stundenweisen Kontakten und Unternehmungen beginnt und langsam mit dem Zutrauen der Kinder auch im gemeinsamen Umfeld anwächst, ist am ehesten geeignet, ohne dass die eigenen Wünsche nach Zweisamkeit darunter leiden müssen. 

Welche Erfahrungen machen alleinerziehende Väter mit ‚der gesellschaftlichen Meinung‘, mit Freunden, Verwandten? 

Ich glaube, das ist von ganz vielen Faktoren abhängig. Grundsätzlich ist aus meiner Sicht inzwischen die Akzeptanz von alleiniger väterlicher Kompetenz in vielen Köpfen angekommen. Allerdings manchmal mit einschränkenden Fragen: ‚Traust Du Dir das denn wirklich zu …? Bräuchte sie nicht jetzt doch mal die Mama?‘.  

Viele der Väter, die ich erlebe, haben durch ihre Familien einen großen Rückhalt. Insbesondere dann, wenn sie verlassen wurden. Dann hat oft eher die Mutter mit heftigen Zuschreibungen zu rechnen: ‚Wie konnte sie das nur den Kindern antun?‘.

Wenn die Väter Kritik und Skepsis erfahren, kommt diese häufig aus Richtung des Arbeitgebers, sicher auch aus dessen eigenem Interesse. Bei Coaching-Prozessen mit Führungskräften höre ich oft heraus, dass diese im Sinne der Personalplanung mit den engagierten Vätern nun eine weitere Gruppe haben, mit der sie schwierig(er) planen können, weil sie nicht wissen, worauf sie sich für welche Zeit bei ihnen einstellen und worauf sie bauen können. Das erzeugt zeitweilig Druck, der sich auch (nicht selten) in Kritik und Unverständnis äußert. Bei solchen Äußerungen reflektiere ich mit den Fachkräften gerne den Mehrwert, den das väterliche Engagement für den Betrieb und das WIR-Gefühl wohl haben könnte. 

Gibt es noch etwas zu dem Thema, das Sie sagen möchten? 

Ja. Ich ziehe den Hut vor jedem alleinerziehenden Vater (und jeder alleinerziehenden Mutter) und zolle ihnen allen meinen vollen Respekt! Ich weiß aus eigenen Erfahrungen, wie hilfreich es oft war, wenn meine Frau und ich uns aus bestimmten anstrengenden Situationen mit den Kindern vorübergehend ausklinken konnten. Daher wünsche ich allen alleinerziehenden Vätern (und Müttern) viel Kraft, kleine Oasen im Alltag und ein paar konstante hilfreiche Springer an der Seite, denen sie vertrauen und auf die sie sich verlassen können, wenn sie mal eine Auszeit benötigen! 

Zur Person:

Ansgar Röhrbein ist Dipl.-Pädagoge, Systemischer Therapeut und Coach und betreibt eine Praxis in Herscheid. Mehr Informationen finden Sie im Internet unter www.ansgar-roehrbein.de

Wo finden wir Hilfe und Beratung?

Der Verband allein erziehender Mütter und Väter NRW (VAMV-NRW) bietet Antworten und Informationen rund um das Alleinerziehendsein. Mehr Infos unter www.vamv-nrw.de.  

Der Verband hat auch eine Hotline für Alleinerziehende, die Sie montags, mittwochs und donnerstags von 12 bis 14 erreichen. Telefon: 0201 82774-799. 

Über die Angebotslandkarte des VAMV NRW finden Sie Beratungsstellen und spezielle Angebote für Alleinerziehende in Ihrer Nähe. 

Über das Männerberatungsnetz.de können Sie Beratungsangebote, die auf Männer- und Väterbelange spezialisiert sind, recherchieren. Angebote in Ihrer Nähe finden Sie über die Suche auf der Beratungslandkarte

Der VAMV-Ratgeber „allein erziehend” mit vielen Tipps und Informationen wird regelmäßig aktualisiert und kann kostenlos heruntergeladen werden: 

Tipps Zum Download

Ansgar Röhrbein hat eine Standortbestimmung für Väter (und Mütter) entwickelt, die hilft, Ihren Blick auf die Beziehung zu Ihrem Kind bzw. Ihren Kindern zu beleuchten.