Gute Praxis: Der FABEL-Familienservice im Kreis Lippe
Kommune und Wirtschaft ziehen an einem Strang
Den Standort attraktiver machen, Unternehmen dabei unterstützen, familienfreundlicher zu werden und den Mitarbeitenden ganz praktisch helfen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen: Das Aufgabenspektrum des FABEL-Familienservice im Kreis Lippe ist vielfältig. Ein Porträt der erfolgreichen Partnerschaft lippischer Unternehmen mit dem Kreis und ein Gespräch mit Koordinatorin Sandra Stövesand.
„Wir haben hier ein Super-Netzwerk.“ Sandra Stövesand koordiniert den FABEL-Familienservice Lippe und ist zufrieden mit dem, was sich seit 2009 im Kreis entwickelt hat. „FABEL“ steht für FAmilienBEtreuung Lippe. Doch FABEL bietet mehr als nur Familienbetreuung. Der Service stellt vielseitige Angebote für die lippischen Unternehmen zur Verfügung: Die von Unternehmen bei FABEL abrufbaren Leistungen erstrecken sich von der Bestandsaufnahme und Bedarfserfassung über die Beratung zu familienfreundlichen Strukturen bis zur Schulung von Führungskräften. Stövesand fasst zusammen: „Wir bieten die Grundlagen für eine familiengerechte Personalpolitik. Dabei gibt es keine pauschale Lösung für alle. Wir holen die Unternehmen da ab, wo sie stehen und arbeiten mit ihnen zusammen an individuellen Konzepten für eine familienfreundliche Kultur.“
Öffentlich-Private Partnerschaft für familiengerechte Personalpolitik
Inzwischen besteht das Netzwerk aus 50 Unternehmen mit insgesamt 22.000 Beschäftigten. Eine beeindruckende Zahl, die verdeutlicht, welchen Stellenwert viele privatwirtschaftliche Betriebe dem Thema Familienfreundlichkeit zumessen. Auch der Impuls zur Gründung von FABEL ging von der Wirtschaft aus: Die IHK Lippe zu Detmold gab 2009 den Anstoß und wollte mit besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor allem den (künftigen) Fachkräften ein attraktives Angebot machen. Zwölf Unternehmen waren damals im Boot und erhofften sich niedrigschwellige Beratung und Unterstützung zum Thema familiengerechte Personalpolitik, um in der ländlichen Region Ostwestfalen beim Wettstreit um Fachkräfte nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Organisiert wird der FABEL-Familienservice von der Kreisverwaltung, die das Angebot koordiniert und zwei Stellen dafür zur Verfügung stellt. Refinanziert wird FABEL durch die Mitgliedsunternehmen. Die Beiträge orientieren sich an der Anzahl der Beschäftigten. „Die Unternehmen lernen voneinander, können sich so manches abschauen und damit einen deutlichen Mehrwert generieren“, beschreibt Sandra Stövesand. Wichtig sei der direkte Kontakt, der durch die kurzen Wege in der Region erleichtert wird. „Wir gehen dahin, wo sich Unternehmerinnen und Unternehmer treffen, zu Stammtischen und Veranstaltungen, zu Organisationen wie der IHK oder der Wirtschaftsförderung, zu Clubs wie Rotary oder Lions.“
Praktische Hilfen vom FABEL-Familienservice
Gleichzeitig profitieren die Beschäftigten und ihre Familien. Sandra Stövesand berichtet von einer Situation, in der sie kürzlich spontan helfen konnte: „Die demenzkranke Mutter einer berufstätigen Frau brauchte dringend einen Betreuungsplatz, weil sie immer wieder weggelaufen ist. Dank unserer guten Kontakte vor Ort konnten wir ihr mit einer Notfallbetreuung schnell helfen – eine echte Stärke des Projekts.“ Mit solch praktischer Hilfe entlastet der FABEL-Familienservice nicht nur einzelne Beschäftigte, sondern auch die Unternehmen, die dadurch weniger Ausfälle zu verkraften haben.
„Wir haben die Belange beider Seiten im Blick und agieren auf zwei Ebenen, der persönlichen und der betrieblichen“, betont Stövesand. „Die enge Vernetzung innerhalb der Kreisverwaltung erleichtert uns die praktische Hilfe im Einzelfall“, erklärt Sandra Stövesand. Wichtig sei es, in der Kooperation mit Unternehmensvertreterinnen und -vertretern eine gemeinsame Sprache zu finden und die Interessen in Bezug auf familiengerechte Personalpolitik sowohl der Betriebe wie auch der Beschäftigten im Blick zu haben.
Drei weitere Fragen an Sandra Stövesand
Frau Stövesand, Sie koordinieren den FABEL Familienservice seit 2009. Was hat sich bis heute verändert?
Eine große Veränderung hat mit der Demographie zu tun. Der Fokus der Unternehmen und auch ihrer Beschäftigten hat sich verschoben: Ging es zu Beginn vor allem um die Kinderbetreuung, spielt heute die Pflege eine immer größere Rolle. Im Jahr 2021 hatten wir erstmals mehr Anfragen im Kontext Pflege als im Kontext Kinderbetreuung. Hier haben wir intensiv mit den Unternehmen und Führungskräften gearbeitet, sensibilisiert und das Thema „Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“ aus der Tabu-Zone geholt. Und daran arbeiten wir konsequent weiter, um es nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn unser Ansatz ist lebensphasenorientiert. Das heißt, in der Arbeitswelt betrifft die Frage der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf alle, von den Azubis bis zu den Beschäftigten 55+.
Eine positive Entwicklung haben wir in Bezug auf die partnerschaftliche Vereinbarkeit wahrgenommen. Noch vor drei, vier Jahren war das kein Thema. Gerade hier im ländlichen und eher konservativen Ostwestfalen-Lippe haben die Väter bei der Sorgearbeit keine große Rolle gespielt. Doch das hat sich geändert, u.a. aufgrund der Corona-Pandemie. Wir unterstützen diesen Prozess durch Beratungsangebote wie zum Beispiel Elternzeit in Teilzeit. Denn hier muss sich nicht nur auf der privaten Ebene etwas ändern, sondern auch in der Unternehmenskultur.
Was zeichnet die Zusammenarbeit zwischen der Kreisverwaltung und den lippischen Unternehmen aus?
Insgesamt klappt die Zusammenarbeit sehr gut. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Zahl der Mitgliedsunternehmen. Wir haben hin und wieder den Eindruck, dass manche Unternehmen den Kreis Lippe möglicherweise nicht als Partner auf Augenhöhe sehen – vielleicht wegen einiger Vorurteile gegenüber kommunalen Behörden. Manche Unternehmen konnten wir jedoch durch unser persönliches Engagement und intensive Netzwerkarbeit überzeugen. Hier zeigen sich unsere Stärken: die kurzen Wege und der Bezug zur Region. Wir wissen, was gebraucht wird, der Umgang miteinander ist familiär.
Der FABEL-Service ist über alle Arbeitsgebiete vernetzt und gilt als Querschnittsaufgabe des Landkreises mit einem guten Überblick über sämtliche Leistungen und Angebote über alle 16 Kommunen und über die Kreisgrenzen hinweg. So können wir schnell und spontan neue und bedarfsgerechte Angebote entwickeln, wie zum Beispiel das Projekt „Wunschgroßeltern“. Alles in allem ist es eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Kurz und knapp: Was würden Sie Akteurinnen und Akteuren in anderen Regionen raten, wenn sie ein Projekt wie FABEL auf die Beine stellen wollen?
Keine Berührungsängste haben, aktiv auf die Unternehmen zugehen, eine gemeinsame Sprache finden, Entlastungschancen für Geschäftsführung, Personalabteilung und für die Beschäftigten aufzeigen und den Imagegewinn für Unternehmen und Kreis herausstellen. Es lohnt sich!
Mit Frau Stövesand haben wir 2022 gesprochen.
Wo finden wir Hilfe und Beratung?
Kontakt zum FABEL-Familienservice können Sie über die zugehörige Website aufnehmen: https://www.fabel-service.de/